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Grundbegriffe der Tauchmedizin

Barotrauma

Ein Barotrauma (von gr. baros=schwer und gr. trauma=Wunde) ist eine Verletzung von Körperteilen infolge der Einwirkung eines Druckes (Gasdruck).

Beim Tauchen tritt diese Verletzung dann auf, wenn sich gasgefüllte Hohlräume des Körpers der Druckänderung beim Ab- und Auftauchen nicht oder nicht schnell genug anpassen können. Dies kann während der Abtauchphase auftreten  z. B. weil die Luft in einem Hohlraum zusammengepresst wird, dadurch ihr Volumen verkleinert und keine weitere Luft nachströmen kann. Beispiel: Es wird kein Druckausgleich in das Mittelohr durchgeführt.

Beim Auftauchen kann ebenfalls eine Verletzung von Gewebe durch Druckeinwirkung auftreten, z. B. dadurch, dass komprimierte Luft, die sich in Körperhöhlen befindet, dort eingeschlossen wird, sich infolge der Verminderung des Umgebungsdruckes ausdehen will und dies nicht kann. Dies führt dann zu einer Belastung des umliegenen Gewebes durch die Kraftwirkung der Luft.

Je nachdem wo diese Verletzung auftritt, unterscheid man verschiedene Arten des Barotraumas:

Das Barotrauma des Ohres

Wirkt vom Außenohr her erhöhter Druck (durch den gestiegenen Wasserdruck in der Tiefe) wölbt sich das Trommelfell nach innen, weil die Luft im Mittelohr komprimiert wird. Dort entsteht in der Folge im Mittelohr ein relativer Unterdruck zur Umgebung. Durch ein Druckausgleichsmanöver (meistens das sog. Valsalva-Manöver ) wird als Gegenmaßnahme willentlich Luft auf die Innenseite des Trommelfells gedrückt, so dass der erhöhte Außendruck kompensiert wird. Dieser Druckausgkeich läuft über Verbindung des Nasenrachenraumes mit der Paukenhöhle, der sog. Eustachischen Röhre (Tuba eustachii).

Wird dieser Druckausgleich nicht durchgeführt oder gelingt er nicht, etwa weil die Tuba eustachii durch eine Erkältung zugeschwollen oder anatomisch bedingt nicht durchgängig ist, wölbt sich das Trommefell immer stärker nach innen und kann schließlich zerreißen (ab einer Druckdifferenz von ca. 500 mbar). Vorher setzen jedoch sehr starke Schmerzen ein, so dass das Abtauchen i. d. R. nicht weiter betrieben werden kann. Reißt das Trommelfell, kann Wasser in das Mittelohr eindringen und den Gleichgewichtssinn im Innenohr irritieren bzw stören.

Die Folge dieses Barotraumas des Trommefelles sind in leichteren Fällen starke Ohrschmerzen, die über einige Tage anhalten können, Innenohrgeräusche und bei wiederholtem Auftreten eine bleibende Hörminderung.

Das Barotrauma der Nebenhöhlen

Im Schädel des Menschen existieren verschiedene luftgefüllte Hohlräume, die mit dem Nasen-Rachenraum in Verbindung stehen. Es sind dies insbesondere die Stirnhöhlen, die Kieferhöhlen und die Keilbeinhöhle über dem Übergang von Mundhöhle zum Rachen. Die Wände dieser Höhlen sind völlig starr, die Höhlen selber sind mit Schleimhaut ausgekleidet, die Verbindung zum Nasen-Rachenraum erfolgt über Öffnungen oder kleine Kanäle. Diese Öffnungen und Kanäle sind ebenfalls mit Schleimhaut ausgekleidet. Schwillt diese infolge einer Erkältung an oder ist der Durchgang durch z. B. einen Polypen verlegt, kann kein Druckausgleich mehr in die entsprechende Höhle durchgeführt werden.

Je nachdem, ob das Barotrauma beim Abtauchen (relativer Unterdruck in der Höhle) oder dem Auftauchen (Überdruck in der Höhle) verursacht wird, entsteht eine mehr oder weniger starke Beeinträchtigung der Schleimhaut in der Höhle. Es kommt zu Blutergüssen und heftigen stechenden Schmerzen im Stirn- oder Zahnbereich des Oberkiefers.

Meistens tritt dieses Barotraum auf, wenn nach einer Erkältung früh wieder getaucht wird und die Schleimhaut immer noch angeschwollen ist. In bestimmten Fällen wurde außerdem beobachtet, dass z. B. der Abtauchvorgang symptomlos verlief und beim Auftauchen ein Barotrauma entstand. Dies ist u. U. darauf zurückzuführen, dass ein Schleimhautpolyp wie ein Ventil vor dem Durchgang liegt und Luft in die Höhle einlässt, den umgekehrtern Weg jedoch blockiert.

Das Barotrauma der Lunge

Dieses ist das gefährlichste der Barotraumata, da es im Extremfalle lebensbedrohliche Auswirkungen haben und sogar der Tod eintreten kann. Der Brustkorb ist zwar elastisch, jedoch kann es auch bei kleinen Druckunterschieden zwischen Lungeninnerem und -äußerem zu einer Lungenverletzung bzw. zu einem körperlichen Schaden infolge Druckeinwirkung kommen.

Ein relativer Unterdruck in der Lunge kann in dem Moment entstehen, wo der Luftdruck in der Lunge im Gegensatz zum Umgebungsdruck kleiner wird. Ein Beispiel für diese Situation ist das Atmen aus einem überlangen Schnorchel. Der Umgebungsdruck unter Wasser ist höher als der Luftdruck an der Wasseroberfläche, die Druckdifferenz muss durch Atemarbeit kompensiert werden. Gleichzeitig wird jedoch infolge des Unterdruckes Blut aus dem Kreislaufsystem in die Lunge verlagert um den Volumenverlust durch den den dort entstandenen Unterdruck auszugleichen. Dadurch kann es zu nicht unproblematischen Folgen wie Herzrasen oder einer Verminderung der Blutversorgung des Gehirnes mit nachfolgender Bewusstlosigkeit kommen.

Für den Gerätetaucher ernstere Schäden treten indes beim Auftauchen aus der Tiefe auf. Kann die Lunge, die über den Atemregler in der Tiefe dort unter erhöhtem Druck geatmet wurde, in geringeren Tiefen nicht abgegeben werden, droht ein Lungenriss. Ursachen für das Einsperren der Luft in den Lungen können einerseits willentliches Atemanhalten während des Aufstieges sein (Panikaufstieg), andererseits können auch durch lokale Schwellung der Bronchialschleimhaut (Bronchusstenose) Teile der Lunge von der Belüftung abgekoppelt werden. Diese mögliche Ursache erlangt insbesondere dann Bedeutung, wenn z. B. eine akute Bronchitis oder eine sog. "Raucherbronchitis" vorliegen. Insbesondere die beliebte Zigarette vor dem Tauchen ist aus diesem Grunde heraus extrem gefährlich.

Je nachdem, an welcher Stelle die Lunge durch die Druckwirkung einreißt, unterscheidet man verschiedene Fälle:

a) Riss in der Nähe der Lungenoberfläche
b) Riss im zentralen Lungenbereich

a) Hier kommt es zu einem sog. Pneumothorax (gr. Luft- oder Gasbrust ), also einer Abgabe der Luft in den Bereich der Pleura, den Bereich der Membran, die den Brustkorb innen auskleidet. Er verursacht durch Druck auf Lunge, Herz und Gefäße Beschwerden und Kreislaufbelastungen. Diese Beschwerden sind mit der Atmung einhergehende stechende Schmerzen hinter dem Brustbein oder im Rückenbereich.

b) Bei einem Riss in diesen zentralen Bereich der Lunge kann Luft in die Blutgefäße der Lunge gelangen. Dies führt zum Entstehen einer sog. "arteriellen Gasembolie" ( AGE ), also dem Einschwemmen von Luftblasen in das arterielle System. Dort führen sie zu Verschlüssen (Thromben) von u. U. wichtigen Blutgefäßen z. B. im Gehirn oder dem Rückenmark mit seonsorischen oder motorischen Ausfällen als Folge. Diese Symptome sind sehr ähnlich denen einer Dekompressionskrankheit vom Typ II. Daher ist das Stellen einer differentiellen Diagnose für die weitere Behandlung erforderlich obwohl die initiale Therapie bei beiden Verletzungstypen die gleiche ist: Behandlung mit hyperbarem O 2 .

Eine erste Differentialdiagnose kann anhand des initialen Verlaufes vorgenommen werden: Die DCS zeichnet sich dabei durch eine schrittweise Symptomatik aus, die sich einige Minuten bis Stunden nach dem Ende des Tauchganges ausbildet. Die Symptome der AGE sind meistens wenige Minuten nach Ende des Tauchgangs nachweisbar. (Lawrence, Martin, Scuba Diving Explained, p. 69)

Das Barotrauma der Augen

Ein Barotrauma des Auges kann entstehen, wenn in der Augenhöhle kein Druckausgleich durchgeführt werden kann. Dies kann z. B. dann passieren, wenn statt einer normalen Tauchmaske, bei der Nase und Augenraum verbunden sind, eine Schwimmbrille zum Tauchen benutzt wird. Hierbei wird der Druck im Auge kleiner als der Umgebungsdruck. Die Folge können z. B. Blutergüsse in der Bindehaut sein.

Das Barotrauma der Zähne

Bei Zähnen sind undichte Füllungen, die als Ventile wirken, problematisch. Sie lassen bei der Abtauchphase Luft in den Zahnhohlraum ein, verschließen diesen jedoch beim Austauchen. Die Folge sind heftige Zahnschmerzen über mehrere Stunden.
 
 Peter Rachow 2006