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von Peter Rachow Startseite - Home

Warum Argon als Füllgas
für einen Trockenanzug zumindest fragwürdig ist und warum man
bei Helium friert
Etwas notwendige Physik voraus
Viele Taucher benutzen heute als
Füllgas für ihren Trockenanzug Argon (Ar), weil sie sich
davon weniger Auskühlung versprechen. Eine Untersuchung von
Risberg und Hope hat aber bereits 2001 erbracht, dass diese Meinung
einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht Stand hält,
denn die Probanden der Studie konnten bei normierten Tauchgängen
nicht zuverlässig sagen, welches Füllgas bei ihnen gerade
benutzt wurde. Auch die gemessenen Temperaturen im Rektum der Taucher
brachten keine signifikanten Unterschiede hervor.
Was sind die Ursachen und handelt es sich letztlich nur
um einen Placebo-Effekt von Argon als Füllgas?
Um diese Fragen beantworten zu können, muss man die Physik zu
Raten ziehen, genauer gesagt die Thermodynamik. Sie erklärt uns,
auf welche Arten Wärme von einem Ort zum anderen transportiert
werden kann. Es gibt derer drei:
a) Die Wärmeleitung (Konduktion)
b) Den Wärmetransport durch einen strömenden Stoff
(Konvektion)
c) Die Strahlung
Da c) für unsere Betrachtungen keine Relevanz hat,
beschäftigen wir uns mit a) und b):
a) Wärmeleitung
(Konduktion)
Jeder
kennt den Effekt: Steht ein Teelöffel in einem Glas mit
heißen Tee wird das obere Ende, das aus dem Tee herausragt, warm.
Die Wärme wurde vom unteren Ende durch den Löffel (genauer
gesagt das Metallgefüge) nach oben transportiert. Grob
vereinfachend funktioniert dieser Transport so, dass die Atome am
unteren Ende die Wärmeenergie aufnehmen, dadurch in Schwingungen
geraten und diese Schingungen auf benachbarte Atome übertragen,
die dann ebenfalls schwingen. Diese Schwingungen setzen sich dann
(fortwährend abgeschwächt je weiter man zum Ende des
Körpers gelangt) durch den ganzen Körper fort.
Vergleichen
wir zuerst die Wärmeleitfähigkeiten von Argon und Luft:
Wärmeleitfähigkeit
Ar: 0,0177 W/(m · K)
Wärmeleitfähigkeit
Luft (21%O2, 78% N2): 0,0261 W/(m · K)
Die Wärmeleitfähigkeit von Ar ist also "nur" 67% von der von
Luft.
Da
beim Beispiel (Teelöffel aus
festen Metall) jedes Atom an seinem Platz bleibt (der Stoff also
nicht fließt) ist diese Art der Wärmeübertragung die
einzige. Wärmetransport
über ausschließliche Wärmeleitung gibt es daher nur bei
festen Stoffen.
Bei Flüssigkeiten und Gasen kommt viel stärker die
nächste Art hinzu:
b)
Den Wärmetransport durch einen strömenden Stoff (Konvektion)
Ein Musterbeispiel hierfür ist eine Zentralheizung: Im Keller
steht ein Wasserkessel der durch einen Brenner erwärmt wird, das
warme Wasser wird zu jedem Heizkörper im Haus geleitet und gibt
dort die Wärme ab. Hier strömt ein Stoff und nimmt die
Wärme zu einem anderen Ort mit.
Welche der beiden Transportarten
für Wärme sind beim Trockenanzug relevant?
Allgemein
gilt, dass Wärmetransport über Konvektion wesentlich
effektiver ist als Wärmetransport über Leitung. Wäre das Füllgas im Anzug
ortsfest (würde also nicht im
Anzug herumfließen können) wäre alleine die (wenig
effektive) Wärmeleitung
für den
Energietransport vom warmen Körper zum kalten Anzugmaterial, das
mit Wasser Kontakt hat, relevant. Allerdings ist das nicht der Fall wie
jeder Taucher weiß. Das Füllgas zirkuliert im Anzug
und im Unterzieher vergleichsweise ungehindert. Wollte man dies
verhindern, müsste
man einen Neoprenunterzieher benutzen, bei dem die Luftbläschen
ortsfest im Material eingeschlossen sind.
Bei den normalen Gewebeunterziehern zirkuliert das Gas, wie bereits,
gesagt relativ
frei im Anzug. Es nimmt Wärme am Körper auf und transport sie
dann zur Grenzschicht zwischen Anzug und Wasser. Dort wird diese
Wärmeenergie an das kalte Wasser abgegeben, das praktisch
unendliche Beträge an Wärmeenergie aufnehmen kann, zumindest
wesentlich mehr als sie ein Taucher je produzieren könnte. Wir
haben es also hier mit einem klassischen Beispiel für Wärmetransport durch einen
strömenden Stoff (Konvektion) zu tun.
Die
Wärmekapazität
Die
Wärmekapazität spielt bei der Konvektion eine große
Rolle. Sie definiert die Wärmespeicherfähigkeit
eines Stoffes. Jeder kennt das Phänomen: Im Frühjahr ist die
Luft schon recht warm, das Wasser im See aber noch kalt. Im Herbst ist
es umgekehrt: Wärend es an der Luft schon recht kalt ist, ist das
Seewasser noch relativ warm: Wasser ist offenbar ein guter
Wärmespeicher. Physikalisch sagt man: "Wasser hat eine hohe
Wärmekapazität". Hat ein Stoff eine hohe
Wärmekapazität, kann er Wärme
sehr gut durch Strömung übertragen wenn er vom Ort A
nach Ort B strömt. Am Ort A nimmt er viel Wärmeenergie auf
und gibt
sie am Ort B wieder ab. Dadurch wird der Ort A sehr viel kälter
und B sehr viel wärmer als wenn man einen Stoff benutzen
würde, der nur ein sehr schlechter Wärmespeicher ist.
Argon: Wärmeleitfähigkeit
vs. Wärmekapazität
Die
Wärmespeicherfähigkeit (Wärmekapazität,
abgekürztes Formelzeichen "c") von Argon ist ungefähr die
Hälfte jener von Luft (cAr=520J/(Kg*K), cLuft=1005J/(Kg*K)).
Dieser Wert ist also ebenfalls niedriger, analog zu den Werten für
die Wärmeleitfähigkeit. Oberflächlich betrachtet
könnte man nun vermuten, dass, da Argon Wärme sowohl
schlechter leitet als auch speichert als Luft, es ein recht guter
Isolator sein müsste. Dies steht aber in Widerspruch zu der
Untersuchung von Risberg und Hope.
Was könnten die Ursachen sein?
Grundsätzlich nimmt Ar also erst einmal weniger Wärmeenergie
vom Körper des Tauchers mit. Die Angabe von c bezieht sich jedoch
auf 1 kg eines Gases. Da Ar aber ungefähr dreimal so schwer ist
wie Luft erhält man bei gleichem Druck eine dreifache Masse an
Ar-Gas im Anzug verglichen mit Luft. Dies bedeuet, dass bei gleichem
Umgebungsdruck Ar 1,5 mal soviel Wärmeenergie transportiert wie
Luft (halber Wert von "c" * dreifacher Masse). Dieser Sachverhalt
gleicht die geringere Wärmeleitfähigkeit von Argon im
Vergleich zu Luft zumindest zum Teil aus. Wie groß der Betrag
genau ist kann man nicht sagen, da man nicht weiß, wie bei einem
Taucher die Anteile von "Wärmetransport durch Leitung" und "Wärmetransport
durch Konvektion" genau verteilt sind.
Hinzu kommt, dass Ar schwerer (massereicher) Luft ist und daher nicht
so effektiv fließt, was den Transport wiederum verschlechtert.
Auf jeden Fall kann die Tatsache, dass strömendes Argon ein
zumindest etwas effektiverer Wärmetransporteur als Luft ist,
erklären, dass man kaum einen Unterschied zwischen den beiden
Anzugfüllgasen ermitteln kann.
Warum friert man mit Helium (He) im
Anzug?
Wer schon einmal mit Trimix tariert hat, wird merken, dass es besonders
schnell kalt wird. Nun könnte man auf den schnellen Gedanken
verfallen, dies habe damit zu tun, dass Helium die Wärme
wesentlich besser leitet als Luft. Vergleichen wir die beiden Werte
für die Wärmeleitfähigkeit von He und Luft:
Wärmeleitfähigkeit He: 0,152 W/(m · K)
Wärmeleitfähigkeit
Luft (21%O2, 78% N2): 0,0261 W/(m · K)
In der Tat ist der Wärmeleitwert von He über 7 Mal so
groß wie der von Luft. Aber kann er auch die Tatsache des
Frierens bei He-Befüllung des Tauchanzuges erklären,
besonders wenn Wärmeleitung nur eine untergeordnete Rolle beim
Wärmetransport im Anzug spielt? Offenkundig nicht. Welche andere
Ursache gibt es also?
Also sollte man sich nun die
Wärmespeicherfähigkeit
(physikalisch formuliert die Wärmekapazität,
abgekürzt "c") von He und Luft ansehen und vergleichen: Und schon
fällt einem auf: He hat ein ein c=5193 J/(kg*K)
während normale Luft nur c=1005 J/(kg*K) besitzt. Das
bedeutet nichts anderes dass z. B. 1 Liter Helium 5 Mal so viel
Wärmeenergie von Ort A nach Ort B transportieren kann wie die gleiche Menge Luft.
Strömendes Helium ist also ein besonders effektiver Transporteur
für Wärme verglichen mit Luft.
Hier haben wir nun wieder den umgekehrten Sachverhalt wie bei Argon.
Helium ist leichter als Luft, es hat also weniger Masse. Dichte von He
bei 1 bar und 20°C: 0,167 g/dm³, von Luft 1,18g/dm³.
Dies bedeutet, dass man
zunächst einmal bei gleichem Druck ungefähr nur etwas mehr
als ein Siebtel der Masse von Luft als He-Gas im Anzug hat. Daher wird
hier auch nur ein Siebtel der Wärmeenergie transportiert.
Betrachtet
man diese massebezogene Größe mit dem fünffachen
Speicherwert zusammen so erhält man eine Transportrate von He
für Wärme die vermutlich geringüfig im Bereich der von
Luft liegen muss. Wie viel das genau ist, ist wiederum nicht
ermittelbar, da man wieder das Größenverhältnis von
"Transportrate Konvektion" / "Transportrate Leitung" nicht genau kennt.
Ein Sachverhalt wurde aber bis dato nicht beachtet: He hat eine
wesentlich kleinere Molekülgröße als Luft. Die He Atome
können daher im Gewebe des Anzuges schneller diffundieren.
Außerdem sind sie wesentlich leichter und beschleunigen daher
schneller. Beide Sachverhalte zusammen ergeben eine höhere
Flussrate des kleinen und leichten He-Moleküls verglichen mit dem
wesentlich größeren und schwereren Luftmolekül.
Und genau aus diesen Gründen friert der Taucher, der seinen Anzug
mit He
befüllt.
Fazit: Argon im Anzug ist
schön und sieht "tech" aus, rechtfertigt aber den hohen Aufwand
(weitere Gasflasche mit einem Regler) kaum, es sei denn man taucht mit
Trimix und benötigt sowieso ein anderes Füllgas. Für den
normalen Presslufttaucher ist ein wärmerer Unterzieher eine
bessere und auf die Dauer preiswertere Alternative.