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Warum Argon als Füllgas für einen Trockenanzug zumindest fragwürdig ist und warum man bei Helium friert

Etwas notwendige Physik voraus

Viele Taucher benutzen heute als Füllgas für ihren Trockenanzug Argon (Ar), weil sie sich davon weniger Auskühlung versprechen. Eine Untersuchung von Risberg und Hope hat aber bereits 2001 erbracht, dass diese Meinung einer wissenschaftlichen Überprüfung nicht Stand hält, denn die Probanden der Studie konnten bei normierten Tauchgängen nicht zuverlässig sagen, welches Füllgas bei ihnen gerade benutzt wurde. Auch die gemessenen Temperaturen im Rektum der Taucher brachten keine signifikanten Unterschiede hervor.

Was sind die Ursachen und handelt es sich letztlich nur um einen Placebo-Effekt von Argon als Füllgas?

Um diese Fragen beantworten zu können, muss man die Physik zu Raten ziehen, genauer gesagt die Thermodynamik. Sie erklärt uns, auf welche Arten Wärme von einem Ort zum anderen transportiert werden kann. Es gibt derer drei:

a) Die Wärmeleitung (Konduktion)
b) Den Wärmetransport durch einen strömenden Stoff (Konvektion)
c) Die Strahlung

Da c) für unsere Betrachtungen keine Relevanz hat, beschäftigen wir uns mit a) und b):

a) Wärmeleitung
(Konduktion)

Jeder kennt den Effekt: Steht ein Teelöffel in einem Glas mit heißen Tee wird das obere Ende, das aus dem Tee herausragt, warm. Die Wärme wurde vom unteren Ende durch den Löffel (genauer gesagt das Metallgefüge) nach oben transportiert. Grob vereinfachend funktioniert dieser Transport so, dass die Atome am unteren Ende die Wärmeenergie aufnehmen, dadurch in Schwingungen geraten und diese Schingungen auf benachbarte Atome übertragen, die dann ebenfalls schwingen. Diese Schwingungen setzen sich dann (fortwährend abgeschwächt je weiter man zum Ende des Körpers gelangt) durch den ganzen Körper fort.

Vergleichen wir zuerst die Wärmeleitfähigkeiten von Argon und Luft:

Wärmeleitfähigkeit Ar: 0,0177 W/(m · K)
Wärmeleitfähigkeit Luft (21%O2, 78% N2): 0,0261 W/(m · K)

Die Wärmeleitfähigkeit von Ar ist also "nur" 67% von der von Luft.

Da beim Beispiel (Teelöffel aus festen Metall) jedes Atom an seinem Platz bleibt (der Stoff also nicht fließt) ist diese Art der Wärmeübertragung die einzige. Wärmetransport über ausschließliche Wärmeleitung gibt es daher nur bei festen Stoffen. Bei Flüssigkeiten und Gasen kommt viel stärker die nächste Art hinzu:

b) Den Wärmetransport durch einen strömenden Stoff (Konvektion)

Ein Musterbeispiel hierfür ist eine Zentralheizung: Im Keller steht ein Wasserkessel der durch einen Brenner erwärmt wird, das warme Wasser wird zu jedem Heizkörper im Haus geleitet und gibt dort die Wärme ab. Hier strömt ein Stoff und nimmt die Wärme zu einem anderen Ort mit.

Welche der beiden Transportarten für Wärme sind beim Trockenanzug relevant?

Allgemein gilt, dass Wärmetransport über Konvektion wesentlich effektiver ist als Wärmetransport über Leitung. Wäre das Füllgas im Anzug ortsfest (würde also nicht im Anzug herumfließen können) wäre alleine die (wenig effektive) Wärmeleitung für den Energietransport vom warmen Körper zum kalten Anzugmaterial, das mit Wasser Kontakt hat, relevant. Allerdings ist das nicht der Fall wie jeder Taucher weiß. Das Füllgas zirkuliert im Anzug und im Unterzieher vergleichsweise ungehindert. Wollte man dies verhindern, müsste man einen Neoprenunterzieher benutzen, bei dem die Luftbläschen ortsfest im Material eingeschlossen sind.

Bei den normalen Gewebeunterziehern zirkuliert das Gas, wie bereits, gesagt relativ frei im Anzug. Es nimmt Wärme am Körper auf und transport sie dann zur Grenzschicht zwischen Anzug und Wasser. Dort wird diese Wärmeenergie an das kalte Wasser abgegeben, das praktisch unendliche Beträge an Wärmeenergie aufnehmen kann, zumindest wesentlich mehr als sie ein Taucher je produzieren könnte. Wir haben es also hier mit einem klassischen Beispiel für
Wärmetransport durch einen strömenden Stoff (Konvektion) zu tun.

Die Wärmekapazität

Die Wärmekapazität spielt bei der Konvektion eine große Rolle. Sie definiert die Wärmespeicherfähigkeit eines Stoffes. Jeder kennt das Phänomen: Im Frühjahr ist die Luft schon recht warm, das Wasser im See aber noch kalt. Im Herbst ist es umgekehrt: Wärend es an der Luft schon recht kalt ist, ist das Seewasser noch relativ warm: Wasser ist offenbar ein guter Wärmespeicher. Physikalisch sagt man: "Wasser hat eine hohe Wärmekapazität". Hat ein Stoff eine hohe Wärmekapazität, kann er Wärme sehr gut durch Strömung übertragen wenn er vom Ort A nach Ort B strömt. Am Ort A nimmt er viel Wärmeenergie auf und gibt sie am Ort B wieder ab. Dadurch wird der Ort A sehr viel kälter und B sehr viel wärmer als wenn man einen Stoff benutzen würde, der nur ein sehr schlechter Wärmespeicher ist.

Argon: Wärmeleitfähigkeit vs. Wärmekapazität

Die Wärmespeicherfähigkeit (Wärmekapazität, abgekürztes Formelzeichen "c") von Argon ist ungefähr die Hälfte jener von Luft (cAr=520J/(Kg*K), cLuft=1005J/(Kg*K)). Dieser Wert ist also ebenfalls niedriger, analog zu den Werten für die Wärmeleitfähigkeit. Oberflächlich betrachtet könnte man nun vermuten, dass, da Argon Wärme sowohl schlechter leitet als auch speichert als Luft, es ein recht guter Isolator sein müsste. Dies steht aber in Widerspruch zu der Untersuchung von Risberg und Hope.

Was könnten die Ursachen sein?

Grundsätzlich nimmt Ar also erst einmal weniger Wärmeenergie vom Körper des Tauchers mit. Die Angabe von c bezieht sich jedoch auf 1 kg eines Gases. Da Ar aber ungefähr dreimal so schwer ist wie Luft erhält man bei gleichem Druck eine dreifache Masse an Ar-Gas im Anzug verglichen mit Luft. Dies bedeuet, dass bei gleichem Umgebungsdruck Ar 1,5 mal soviel Wärmeenergie transportiert wie Luft (halber Wert von "c" * dreifacher Masse). Dieser Sachverhalt gleicht die geringere Wärmeleitfähigkeit von Argon im Vergleich zu Luft zumindest zum Teil aus. Wie groß der Betrag genau ist kann man nicht sagen, da man nicht weiß, wie bei einem Taucher die Anteile von "Wärmetransport durch Leitung" und
"Wärmetransport durch Konvektion" genau verteilt sind.

Hinzu kommt, dass Ar schwerer (massereicher) Luft ist und daher nicht so effektiv fließt, was den Transport wiederum verschlechtert.

Auf jeden Fall kann die Tatsache, dass strömendes Argon ein zumindest etwas effektiverer Wärmetransporteur als Luft ist, erklären, dass man kaum einen Unterschied zwischen den beiden Anzugfüllgasen ermitteln kann.

Warum friert man mit Helium (He) im Anzug?

Wer schon einmal mit Trimix tariert hat, wird merken, dass es besonders schnell kalt wird. Nun könnte man auf den schnellen Gedanken verfallen, dies habe damit zu tun, dass Helium die Wärme wesentlich besser leitet als Luft. Vergleichen wir die beiden Werte für die Wärmeleitfähigkeit von He und Luft:

Wärmeleitfähigkeit He:
0,152 W/(m · K)
Wärmeleitfähigkeit Luft (21%O2, 78% N2): 0,0261 W/(m · K)

In der Tat ist der Wärmeleitwert von He über 7 Mal so groß wie der von Luft. Aber kann er auch die Tatsache des Frierens bei He-Befüllung des Tauchanzuges erklären, besonders wenn Wärmeleitung nur eine untergeordnete Rolle beim Wärmetransport im Anzug spielt? Offenkundig nicht. Welche andere Ursache gibt es also?

Also sollte man sich nun die Wärmespeicherfähigkeit (physikalisch formuliert die Wärmekapazität, abgekürzt "c") von He und Luft ansehen und vergleichen: Und schon fällt einem auf: He hat ein ein c=5193 J/(kg*K) während normale Luft  nur c=1005 J/(kg*K) besitzt. Das bedeutet nichts anderes dass z. B. 1 Liter Helium 5 Mal so viel Wärmeenergie von Ort A nach Ort B transportieren kann wie die gleiche Menge Luft. Strömendes Helium ist also ein besonders effektiver Transporteur für Wärme verglichen mit Luft.

Hier haben wir nun wieder den umgekehrten Sachverhalt wie bei Argon. Helium ist leichter als Luft, es hat also weniger Masse. Dichte von He bei 1 bar und 20°C:
0,167 g/dm³, von Luft 1,18g/dm³. Dies bedeutet, dass man zunächst einmal bei gleichem Druck ungefähr nur etwas mehr als ein Siebtel der Masse von Luft als He-Gas im Anzug hat. Daher wird hier auch nur ein Siebtel der Wärmeenergie transportiert. Betrachtet man diese massebezogene Größe mit dem fünffachen Speicherwert zusammen so erhält man eine Transportrate von He für Wärme die vermutlich geringüfig im Bereich der von Luft liegen muss. Wie viel das genau ist, ist wiederum nicht ermittelbar, da man wieder das Größenverhältnis von "Transportrate Konvektion" / "Transportrate  Leitung" nicht genau kennt.

Ein Sachverhalt wurde aber bis dato nicht beachtet: He hat eine wesentlich kleinere Molekülgröße als Luft. Die He Atome können daher im Gewebe des Anzuges schneller diffundieren. Außerdem sind sie wesentlich leichter und beschleunigen daher schneller. Beide Sachverhalte zusammen ergeben eine höhere Flussrate des kleinen und leichten He-Moleküls verglichen mit dem wesentlich größeren und schwereren Luftmolekül.

Und genau aus diesen Gründen friert der Taucher, der seinen Anzug mit He befüllt.

Fazit: Argon im Anzug ist schön und sieht "tech" aus, rechtfertigt aber den hohen Aufwand (weitere Gasflasche mit einem Regler) kaum, es sei denn man taucht mit Trimix und benötigt sowieso ein anderes Füllgas. Für den normalen Presslufttaucher ist ein wärmerer Unterzieher eine bessere und auf die Dauer preiswertere Alternative.