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Tieftauchen - Pro und Contra (Teil I)

Zum Teil II

1. Einleitung

Ausgehend von einer anhaltenden und periodisch wieder aufflammenden Diskussion, u. a. in der Newsgroup de.re.sport.tauchen, über das Für und Wider von Tiefenbegrenzungen im Tauchsport soll nachfolgend dargelegt werden, welche Probleme sich durch das Pressluftauchen in größeren Tauchtiefen ergeben. Es soll weiterhin versucht werden, zu erläutern, warum das Aufstellen einer Tiefenbegrenzung keinen wirklichen Zuwachs an Sicherheit erzielen kann. Außerdem sollen die Argumente der beiden Gruppen Gegner und Befürworter skizzenhaft aufgezeigt werden.

In der Diskussion prallen die Meinungen der beiden Lager wie bei einem Glaubenskrieg ungeahnt heftig aufeinander. Die beiden Parteien stehen sich oft unversöhnlich gegenüber. So sind die Befürworter von Tiefengrenzen anzuerkennen bereit, daß die Regeln im Tauchsport sehr eng ausgelegt werden sollten. Dies geschieht haüfig unter Berufung auf die einzelnen "Verbände", die bestimmte "Sicherheitsstandards" definieren, was Tauchunfälle zuverlässig verhindern soll. Dagegen argumentieren die eher "liberal" Gesinnten vehement gegen die Einschränkung ihrer persönlichen Freiheit. Schlußendlich kommt es dann zu einem Diskurs zwischen einer ordnungspoltisch und einer eher freiheitsbetonten Gruppe, auch wenn diese Bezeichnungen nur plakativen Charakter haben.

Untersuchen wir aber zuerst die Argumente der beiden Gruppen.

2. Argumente pro Tiefenbegrenzung

Die Befürworter von Tiefenbegrenzungen führen im wesentlichen Argumentationslinien ins Feld, welche die Sicherheit beim Tauchen nicht mehr gewährleistet sehen, wenn eine bestimmte Tauchtiefe (i.d.R zwischen 30 und 40m Wassertiefe) überschritten wird.

Es werden hauptsächlich folgende 3 Aspekte herausgestellt:

2.1 Dekompressionskrankheit

Die Aufsättigung von Stickstoff im menschlichen Körper (i.e seinen einzelnen Geweben) wird durch die funktionale Abhängigkeit dieser Stickstoffanreicherung vom Umgebungsdruck und Tauchzeit ab einer bestimmten Überschreitung von Tauchtiefe bzw. Kombination aus Tiefe und Zeit, problematisch. Dadurch ergeben sich, was gesichert ist, erhöhte Risiken während oder nach der Austauchphase, einen Dekompressionsunfall mit unterschiedlicher Schwere zu erleiden.

Genese des Dekompressionsunfalles

Der Taucher atmet, wie bekannt, unter Wasser das Atemgas unter erhöhtem Druck, was in der Abtauchphase (Kompressionsphase) zu einem positiven Druckgradienten zwischen dem dem Partialdruck des Inertgases in der Atemluft und den mit diesem Atemgas über den arteriellen Blutkreislauf versorgten Geweben führt. Der Stickstoff geht daher in den Geweben in Lösung (Gesetz von Henry).

In der Folge reichert sich das Inertgas (i. d. R. Stickstoff) in den unterschiedlichen Geweben an und wird beim Aufstieg (Dekompressionsphase) wegen des jetzt geringeren Umgebungsdruckesdruckes (und damit verminderten Inertgaspartialdruck) wieder in den venösen Blutkreislauf abgegeben. Wegen der begrenzten Aufnahmefähigkeit des Blutes für Inertgas kann es bei Überschreiten der Aufstiegsgeschwindkeit bzw. bei Nichteinhalten der Dekompressionstopps zum Auftreten von Gasblasen kommen, die zur Verstopfung von Blutgefäßen und damit zu Gewebeschäden in den betroffenen Bereichen (Läsionen) führen können.

Weiterhin problematisch ist die bisher wenig erforschte Bildung kleinster Gasblasen, die durch das Überschreiten einer bestimmten Auftauchgeschwindigkeit auch bei grundsätzlich nicht dekompressionspflichtigen Tauchgängen entstehen können. Diese Aufstiegsgeschwindigkeit bewegt sich (auch abhängig von der jeweiligen Tauchtiefe) zwischen 20 m/min und 9 m/min. Die geschilderte Problemetik ist jedoch nicht gebunden an das Aufsuchen größerer Tiefe, sondern besonders relevant in jenen flachen Tiefenbereichen, wo eine vergleichsweise geringe Verringerung der Tauchtiefe eine große Änderung des Umgebungsdruckes ergibt.

Empfohlen kann in Zusammenhang mit dieser Problematik werden, dass

a) ein tieferer Tauchgang sorgfältig geplant wird, insbesondere was ausreichenden den Vorrat an Atemgas auch unter Miteinbeziehung der nötigen Dekompressionsphasen.

"Nachgeholte Dekompression" und "Nasse Rekompression" als Notmaßnahmen

Eine sog. "nachgeholte Dekompression" ist, falls nur eine geringe Verletzung der Dekompressionsvorschriften auftritt nach gängiger Meinung tolerierbar. Hierbei wird die Oberfläche nur sehr kurz aufgesucht, z. B. um die Tauchflasche zu wechseln.

Eine "nasse Rekompression" d. h. der Versuch einer weiteren Kompression (Abtauchen auf größere Tiefe) und nachfolgende erneute Dekompression bereits nach dem Auftreten von Symptomen der Dekompressionskrankheit ist aus medizinischer Sicht wegen der damit verbundenen Risiken jedoch abzulehnen (Gefahr der Ohnmacht unter Wasser, Verschlimmerung der Symptome, weil die Gasblasen zwar bei der Rekompression verkleinert werden und dadurch in Regionen des Körpers vordringen können, wo sie bei der anschließenden Dekompression noch viel größere Schäden verursachen.

b) ein möglichst konservatives Austauchprofil eingehalten wird, d. h. die Aufstiegsgeschwindgkeit möglichst minimiert wird. Bei der Berechnung des Dekompressionsprofiles ist die Verwendung von Tauchcomputern nicht unproblematisch, da die unterschiedlichen teilweise stark differierenden und nur für einen bestimmten Teil eines Taucherkollektives gelten. Anders gesprochen: Die Verwendung eines Tauchcomputers impliziert nicht für 100% der Benutzer eine fehlerfreie Dekompressionsphase.

2.2 Stickstoffnarkose

2. Durch Einwirkung des unter hohem Druck mit der Atemluft eingeatmeten Inertgases Stickstoff kann es unter bestimmten Bedingungen zu narkoseartigen Phänomen kommen (sog. "Tiefenrausch"). Dieses Risko steigt bei Tauchtiefen ab 30m an.

Die individuelle Empfänglichkeit (Disposition) des Individuums spielt hier eine signifikante Rolle.

Dispositionserhöhende Faktoren sind:

- Müdigkeit
- vorangegangener Alkoholkonsum
- Stress/psychische Probleme
- Körperliche Anstrengung vor und während des Tauchgangs

Dispositionsmindernde Faktoren sind:

-Training (i. e. Gewöhung an einen hohen ppN 2 )

Letzteres erhält besondere Bedeutung, da mittlerweile erwiesen ist, dass sich der menschliche Körper an eine Zuführung von Stickstoff unter hohem Partialdruck gewöhnen kann und dieser dann tolereiert wird.

2.3 Sauerstoffintoxikation

Das Risiko einer Intoxikation mit Sauerstoff, welche ab Partialdrücken von 1,4 bis 1,6 bar ppO2 zu akuten Lähumngserscheinungen und Bewußtseinsstörungen während des Tauchgangs führen kann, steigt beim Aufenthalt in extremen Tiefen exponentiell an. Die absolute "Grenztiefe" wird theoretisch dort angesetzt, wo der Sauerstoffpartialdruck (ppO2), je nach Atemgasgemisch, 1,6 bar überschreitet. Bei Pressluft sind dies Wassertiefen von ca. 60m.

Dabei wurde jedoch beobachtet, dass die Toleranz gegen hohe Sauerstoffpartialdrücke abnimmt, wenn z. B. intensive körperliche Anstrengungen vorliegen. Andererseits wurden von Versuchpersonen Sauerstoffpartialdrücke von 3 bar symptomlos toloeriert, wenn keine körperliche Aktivität ausgeübt wurde. Da die Sauerstoffintoxikation jedoch ohne Vorwarnung auftritt, können Experimente hier lebensgefährlich sein.

3. Zur Kritik an den vorgebrachten Pro-Argumenten

3.1) Dekompressionsproblematik

Dekompressionsphänomene beim menschlichen Körper sind seit ca. 100 Jahren bekannt und werden heute aufgrund von empirisch überprüften Rechenmodellen weitestgehend beherrscht. Die Prophylaxe von Dekompressionsschäden beim Sporttauchen findet heute unter Verwendung von Tauchcomputern und erprobten Dekompressionstabellen statt. Diese erweisen sich als zuverlässig, wenn die Sporttaucher die sie anwenden, entsprechend ausgebildet sind und die verschiedenen Hilfsmittel sachgerecht benutzt werden und weitestgehend fehlerfrei arbeiten.

Weiterhin sollte dabei beachtet werden, daß in der Technik dieser Geräte potentielle Fehlerquellen enthalten sein können, was z.B. bei Dekompressionscomputern im Einzelfalle eine falsche Aufnahme der verschiedenen Meßwerte und damit fehlerhafte Austauchberechnungen bedeuten kann.

Die bei diesen Rechnern angewandten Rechenmodelle sind dagegen eher als zuverlässig anzusehen, wenn auch bei den einzelnen Modellen starke Abweichungen zu beobachten sind. Diese erhöhen natürlich die reine Aufenthaltszeit in der Tiefe, was vielfach seitens der Anwender durchaus gewünscht wird, was aber auch ein höheres Risiko birgt, einen Dekompressionsunfall zu erleiden.

Technischen Geräteausfällen kann durch die Verwendung redundanter Systeme begegnet werden. Insbesondere gehören eine Dekokpressiontabelle, ein separater Tiefenmesser und eine Uhr zur Grundausrüstung eines jeden Tauchers.

Weiterhin läßt sich empirisch nachweisen, wie bei der Auswertung einer Studie der BSAC ermittelt werden konnte, daß fast sämtliche im Erhebungszeitraum dieser Tauchunfallstudie aufgetretenen Fälle von Dekompressionskrankheit die Symptomatik vollständig zurückgebildet wurden, was auch auf die regelmäßige Anwendung der hyperbaren Sauerstofftherapie zurückzuführen ist.

Weiterhin läßt sich nachweisen, daß nur ein Teil der Tauchgänge mit nachfolgendem Dekompressionsunfall überhaupt unterhalb jener Tiefengrenzen führte, die hier diskutiert werden sollen.

Die Befürworter von Tiefenbegrenzungen führen zwar hier wiederum an, daß man den mit der Auslösung der Rettungskette und der nachfolgenden Druckkammerbehandlung in Zusammenhang stehenden Aufwand an Menschen und Kosten durch eine Tiefenbegrenzung vermindern könnte, was durchaus richtig ist, aber man, wenn man dieser Argumentation folgt, keinerlei risikobehaftete Aktivitäten mehr zulassen dürfte.

Grundsätzlich muß hier angeführt werden, daß es sich beim Sporttauchen nach allgemeinmer Einschätzung, z.B. von Versicherungen, expressis verbis nicht um eine ausgesprochene Risikosportart handelt. Die entstehenden Aufwendungen für die Behandlung von Dekompressionskrankeiten dürften volkswirtschaftlich mithin vernachlässigbar sein.

Beim Auftreten von Dekompressionsunfällen kann daher das Tiefertauchen zwar als förderlich angesehen werden, empirisch belegbar ist ein signifikant erhöhtes Risiko von Todesfällen oder irreversiblen körperlichen Defekten nicht.

3.2 Stickstoffnarkose

Das Risiko der Stickstoffnarkose steigt ab Tauchtiefen von 30m exponentiell an, nach der herrschenden Lehrmeinung wird ab Tiefen von 60m jeder Sporttaucher, der Pressluft als Atemgasgemisch verwendet, davon betroffen. Das unter hohem Druck eingeatmete Inertgas Stickstoff führt im Nervensystem zur Störung der Reizweiterleitung an den Synapsen und erzeugt eine rauschartigen Zustand mit Fehlwahrnehmungen, Halluzinationen, partiellem oder vollständigem Kontrollverlust und einer häufig beobachtbaren Euphorie.

Grundsätzlich wird von seiten der Tauchmedizin konstatiert, daß sich, im Gegensatz zur O2-Intoxikation, bei der N2-Narkose eine Gewöhnung des menschlichen Körpers ausbildet und daß mit fortschreitender Adaption höhere Partialdrücke toleriert werden, ohne das es zu den beschriebenen Symptomen kommt bzw. wenn Symptome sich einstellen. deren Schwere verringert ist. Diese Erkenntnis findet ihre Ausprägung in der von manchen Tauchverbänden empfohlenen maximalen Tauchtiefe, die für Tauchlehrer um 20% höher sein darf als für Nicht-Tauchleher. Die Fragwürdigkeit einer derartigen Empfehlung zu disktutieren würde hier zu weit führen, es soll aber darauf hingewiesen werden, daß die Auftretenswahrscheinlichkeit für N2-Narkose mit einer großen Anzahl anderer Parameter korreliert, im wesentlichen unabhängig vom Ausbildungsstatus. Dies wurde vorstehend dargestellt.

Für das Tieftauchen heißt dies, daß eine höhere Sicherheit nur durch langsames und vorsichtiges Annähern an größere Tiefen erzielt werden kann, was dann ein permanentes Training erforderlich macht. Unverantwortlich, und von den Gegnern der Tiefengrenze ebenfalls eindeutig verneint, ist ein unreflektiertes Abtauchen in größere Tiefen mit dem dadurch sich ergebenden hohen Gefährdungspotential für Ungeübte.

Taucher, die größere Tiefen aufsuchen, sollten sich jedoch vor Fehleinschätzungen hüten. Es ist erwiesen, daß das Auftreten von N2-Narkose noch mit einer Vielzahl von anderen Parametern korreliert. So sind z.B. Müdigkeit, vorausgegangener Alkoholgenuß, Medikamenteneinnahme etc. mögliche Faktoren, die die N2-Toleranz des Körpers unter hyperbaren Bedinungen drastisch herabsetzen können.

Empirisch läßt sich ebenfalls nicht nachweisen, daß Tiefenrausch in einer signifikanten Anzahl der Fälle zum Tode eines Tauchers führte.

Weiterhin sollten Taucher beim Aufsuchen größerer Tiefen versuchen, den Tauchpartner sorgfältig zu beobachten, was allerdings an Grenzen stoßen kann, weil bestimmte Verhaltensauffälligkeiten nur dann entsprechend richtig interpretierbar sind, wenn ein gewisser Vertrautsheitsgrad zwischen den am Tauchgang beteiligten Personen besteht. Nur wenn der eine Taucher eine normative Erwartung an das Verhalten des anderen stellen kann, sind Verhaltensdeviationen überhaupt als solche erkennbar.

Daher ergibt sich die Konsequenz, als Tauchpartner für tiefere Tauchgänge nur solche Personen hinzuzuziehen, deren Ausbildungsstand, Erfahrung und Verhalten bekannt sind oder zumindest hinreichend exakt eingeschätzt werden können.

Zu 3.3 Sauerstoffvergiftung

Das Auftreten einer O2-Intoxikation durch die längerandauernde Einatmung von Atemluft unter hyperbare Bedingungen kann durch Fallbeispiele bei realen Tauchgängen in unserem Umfeld und durch die genannte Tauchunfallstudie nicht belegt werden. Im Gegensatz zur N2-Narkose wirkt der hyperbare Sauerstoff unter derart hohem Partialdruck schnell lähmend auf den Menschen, mit der Folge daß es zu akuten Krämpfen unter Wasser kommt.

Die Grenztiefe, ab welcher der Sauerstoffgehalt der Atemluft toxisch wirkt, liegt je nach Maximalpartialdruck, der zugestanden wird, zwischen 60 und 70 m, entsprechend 1,47 bar ppO2 und 1,68 bar ppO2.

Da in dieser Abhandlung primär die Sinnhaftigkeit des Setzens einer Tiefenbegrenzung oberhalb dieser Grenztiefe diskutiert werden soll, soll die hypothetische Möglichkeit einer O2-Intoxikation hier nicht vertieft betrachtet werden.

4. Argumente gegen Tiefenbegrenzungen

Die Gegner von Tiefenbegrenzungen führen folgende Argumente an:

1.) Tiefenbegrenzungen stellen Einschränkungen dar, die den Taucher bei der Ausübung seines Sportes in nicht hinehmbarer Weise begrenzen. Dies, so wird argumentiert, konkurriert direkt mit einer eigenverantwortlichen, selbstbestimmten Ausübung des Sportes. Die Argumentation beinhaltet also eine eindeutige Definition wie das Sporttauchen auszuüben sei. Hier stehen als zentrale Begriffe Mündigkeit, Eigenverantwortung und autarkes Handeln im Vordergrund.

Weiterhin wird argumentiert, daß die Ausbildung der Taucher darauf angelegt sein müsse, den einzelnen in die Lage zu versetzen, Grenzen (die eigenen und die umgebungsbedingten) zu erkennen und entsprechend verantwortlich zu handeln. In diesem Zusammenhang wird häufig auch Kritik vorgebracht an der Art, wie heute gelegentlich Tauchausbildung im Schnellverfahren betrieben wird, was wir für berechtigt halten.

Die Befürworter von nicht eingeschränkten taucherischen Freiheiten sehen diese expressis verbis immer in Zusammenhang mit der sorgfältigen Planung und Durchführung eines Tauchganges. Sie zielen daher grundsätzlich immer auf den Kompetenzerwerb beim einzelnen Sporttaucher ab, der diese größere Verantwortung immer auch zu tragen in der Lage sein muß.

Auch sollte man herausstellen, daß es i.d.R. gar nicht um krankhafte "Tiefensucht" geht, wie oft von den Befürwortern von Tiefenbegrenzungen unterstellt wird, sondern daß hier aus bestimmten personalen Werten heraus die Freiheit des einzelnen Sportlers eine höhere Gewichtung erhält, als die Unterwerfung unter (Verbands-)Regeln.

2.) In Zusammenhang mit der ersten Argumentationsweise steht auch, daß Sporttaucher, die sich nie an Grenzen herantasten und diese dann fallweise und wohlüberlegt überschreiten, selten in der Lage sein werden, in kritischen Situationen ihr Handeln angemessen zu gestalten. Man sieht dies insbesondere in den Ländern, wo Sporttaucher mehrheitlich über wenig ausgeprägte Kenntnisse und Fähigkeiten im Tauchsport verfügen (z. B. USA) , wo also die theoretische Ausbildung eher auf Kürze und Oberflächlichkeit denn auf Vertiefung und Übung angelegt ist. Dies erscheint logisch, weil dort, wo Tauchen primär unter der Prämisse betrieben wird, den Spaß daran zu maximieren und theoretischen Ballast so weit wie möglich zu vermeiden, dürfen keine hohen Erwartungen an theoretische und praktische Fähigkeiten gestellt werden. Daher können fehlende Tiefenbegrenzungen nur dort verantwortet werden, wo die persönliche Haltung der einzelnen Sporttaucher u.a. durch eine angemessene Tauchausbildung dahin führt, Eigenverantwortung wahrzunehmen.

Natürlich darf aber jetzt wegen der Defizite von Teilen der heutigen Tauchausbildung nicht generell abgeleitet werden, daß dann eben Tiefenbegrenzungen die ultima ratio seien. Dies würde auch bedeuten, an der heutigen Tauchausbildung und ihren Schwächen festhalten zu dürfen.

3.) Neben dieser eher sozialpsychologischen Argumentation existiert eine weitere, die empirisch belegt, daß das Aufsuchen größerer Tauchtiefen nicht notwendigerweise zu einer Erhöhung der Zahlen schwerer Tauchunfälle führt. Es läßt sich z.B. anhand von den bereits gezeigten Untersuchungen die Tendenz aufzeigen, daß die Mehrzahl der Tauchunfälle ihre Ursache nicht in der Überschreitung einer (willkürlichen) Tiefengrenze, sondern regelmäßig in einem ganzen Spektrum anderer, oft multifaktoriell auftretender Ursachen findet.

Als rein faktisch basierte Gründe, größere Tiefen aufzusuchen sollen genannt werden:

a) Beobachtungsmöglichkeiten von Tieren, Pflanzen und Wracks, die in geringer Tiefe nicht vorhanden sind.
b) Der Wunsch die eigenen Grenzen zu erkennen, auszutesten und zu verschieben ('Reinhold-Messner-Syndrom')

Geerade die psychologische Komponete darf nicht unbeachtet gelassen werden. Bei Tieftauchern handelt es sich oft um Personen, die einerseits über ein ausgeprägtes und starkes Selbstbild verfügen, und andererseits zu stark individualistisch orientiertem Verhalten neigen.

5. Fazit

Meiner Ansicht nach ist das Aufstellen von Tiefenbegrenzungen ein Resultat der Entwicklung des Tauchsportes zum massenhaft ausgeübten Trendsport. Diese Entwicklung brachte in den letzten Jahren eine beispiellose Kommerzialisierung und damit eine drastische Verbreiterung des Sportes mit sich.

Um jetzt, unter dieser neuen Situation, daß massenhaft Menschen diesen Sport ausüben wollen, das Gefahrenpotential zu begrenzen, erscheinen Tiefenbegrenzungen auf den ersten Blick als ein angemessenes Mittel, um das Anwachsen einer bestimmten Kategorie Unfälle zu begrenzen.

Das primäre Problem scheint mir jedoch in der Ausbildung der einzelnen Taucher selbst zu liegen. Würden hier andere Ziele definiert, als z.B. Neueinsteigern in 4 Tagen einen Tauchschein ausstellen zu wollen, wie das heute regelmäßig der Fall ist (und was sicher ökonomisch einen hohen Profit verspricht), würde die Bedeutung der Tiefengrenzen abnehmen. Eine gewissenhafte Ausbildung, wie sie heute trotz Massenbetrieb noch von vielen geleistet wird, ist m. E. das einzig probate Mittel, um Tauchern (besonders Anfängern) ihre und die technischen Grenzen aufzuzeigen und bewußt zu machen.

Mit anderen Worten: Wenn die Bereitschaft zu mehr Eigenverantwortung und realistischer Abschätzung des eigenen Fähigkeiten, also schlußendlich die Fähigkeit zur (Selbst-)Kritik, ein integrales Ziel der Tauchausbildung wäre, würden die leidigen Tiefenbegrenzungen irgendwann obsolet.

Wir argumentieren, daß sorgfältig ausgebildete Sporttaucher, die während ihrer Ausbildung auch mit tauchpsychologischen Problemstellungen konfrontiert würden, weniger dazu tendieren würden in unverantwortlicher Weise Tiefen aufzusuchen, die ihren aktuellen Ausbildungs- und Trainingsstand bei weitem überschreiten. Aber derartiges ist leider bei der heutigen Ausbildung in der Regel nicht zu leisten, wobei es sicher unstreitig Ausnahmen gibt.

Grundsätzlich sehe ich aber die Eigenverantwortlichkeit höher an, als den Zwang, nur um das relativ unwahrscheinliche Auftreten eines "Tiefenunfalls" zuverlässig zu verhindern, eine für alle Taucher geltende Zwangsgrenze zu implementieren. Dies auch deshalb, weil Unbeteiligte bei Unfällen i.d.R. nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Daher tragen auch die häufig Vergleiche mit dem Straßenverkehr hier wenig. Würde man derart begrenzend weiter verfahren, dürfte in letzter Konsequenz nicht mehr getaucht werden, denn das Risiko, beim Tauchen u. U. schwerste Schäden zu erleiden, beginnt, was nachweisbar ist, direkt an der Wasseroberfläche.

Außerdem sollte sich jeder, der den Tauchsport ausübt, über die Risiken die er einzugehen bereit ist, klar sein. Dies kann von mündigen Menschen erwartet werden.

6. Praktische Hinweise für das Tauchen in größeren Tauchtiefen

6.1 Trainingsstand

Größere Tauchtiefen können nur beherrscht werden, wenn der einzelne Taucher einen entsprechenden Traningsstand aufweist. Es soll hier nicht der Eindruck hervorgerufen werden, daß damit alle Gefahrenpotentiale ausgeschaltet würden. Nur, es ist eben die unabdingbare Voraussetzung für sicheres Tauchen in größeren Tauchtiefen, daß der Taucher sich im Laufe eines längeren Trainings langsam an die neuen und oft ungewohnten Bedingungen (hoher Stickstoffpartialdruck, evtl. Dunkelheit, Kälte etc.) herantastet.

Empfehlenswert ist dieses Training mit Tauchpartnern, die bereits über entsprechende Erfahrung verfügen und unter charakterlichem und sportlichen Aspekt für diese Aufgabe geeignet sind.

Unter dieses Kapitel fallen auch die theortischen Kenntnisse, die ein Sporttaucher über Tauchmedizin im allgemeinen und über die Dekompressionsproblematik im Besonderen haben muß. Wenn, wie häufig bei der heutigen (kommerziell) orientierten Tauchausbildung, dieser Aspekt aus Zeitmangel (und gelegentlich Kompetenzgründen) ignoriert wird, ist die Durchführung von dekompressionspflichtigen Tauchgängen nicht zu verantworten.

Weiterhin muß gewährliestet werden, daß Taucher nicht nur das Ablesen eines Tauchcomputers beherrschen, sondern die gelieferten Daten auch sachgerecht interpretieren können, i.e. aufgrund ihrer theoretischen Kenntnisse in der Lage sein müssen, Fehlberechnungen und -messungen als solche zu erkennen und zu korrigieren. Es darf nicht sein, daß drastische Abweichungen der Daten vom Sollwert, die ein Dekompressionscomputer im Fehlerfalle liefert, vom Taucher in der jeweiligen Situation ohne weiteres akzeptiert werden, aus Unkenntnis der real zu erwartenden Meßwerte.

Aus diesem Grunde sollten Taucher in jedem Falle bei allen Tauchgängen eine Dekompressionstabelle zusätzlich mitführen und auch geübt darin sein, die notwendigen Dekompressionspausen mit dieser Tabelle berechnen zu können. Zusätzlich müssen als Ausrüstungsgegenstände immer eine Uhr und ein Tiefenmesser mit Maximaltiefenanzeige mitgeführt werden.

6.2 Ausrüstung

Es erscheint selbstverständlich, daß die Tauchausrüstung für den geplanten Tauchgang in einwandfreiem Zustand sein muß. Mit Atemreglern, die seit Jahren keine Revision erhalten haben oder Tarierhilfen, bei denen die Ventile nicht zuverlässig arbeiten, kann man derartige Unternehmungen nicht verläßlich durchführen.

6.3 Persönliche Befindlichkeit

Auch die Tagesform spielt eine gewichtige Rolle. Wer sich aus welchen Gründen auch immer nicht wohlfühlt, wer unter Streß steht, oder im schlimmsten Fall unter der (Nach-)Wirkung von Alkohol oder Medikamenten steht, sollte gar nicht tauchen. Es ist selbstredend, daß größere Tiefen hier zu einem nicht kalkulierbaren Risiko werden können.

Man sollte sich stets darüber im Klaren sein, daß Tiefen unterhalb 40m mit einem gewissen erhöhten Risiko verbunden sind, was aber eingegangenen werden kann, wenn die Vorbedingungen entsprechend eingestellt sind.

Peter Rachow, im Februar 1999

Ich freue mich über Anmerkungen per e-mail! Zu Teil II