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Eine psycho-soziologische Annäherung an das Phänomen des sog. "TechDiving"

Losgelöst von den eher satirischen Darstellungen zum Thema DIR soll an dieser Stelle eine ernsthafte Annäherung an die psychologischen Rahmenbedingungen des sog. TechDiving versucht werden, um diese neue Trendbewegung in Hinblick auf ihren Inhalt und die Bedürfnisse ihrer Konsumenten zu hinterfragen. Es soll insbesondere der Versuch unternommen werden, diese moderne Sparte der Unterwasserfreizeitgestaltung in einen mit Zeit- und Sozialbezug versehenen Kontext einzubetten  und darauf aufbauend zu erklären, warum eine Freizeitbeschäftigung wie "TechDivng" überhaupt innerhalb des Freizeittauchens entstehen konnte und welche Bedürfnisse bei diesen Konsumenten sie erfüllt. Beginnen wir dazu mit der Person im Brennpunkt dieser Sparte des Hobbytauchens:

1. Gibt es den "typischen Techdiver"?

Will man das Phänomen des sog. "TechDiving" umfassend analysieren, so kommt man um eine Beschäftigung mit der Psyche der diese Spielart des Freizeittauchens betreibenden "Techdiver" logischerweise nicht herum. Sie steht am Anfang der Analyse. Das Material für diese Betrachtungen basiert auf der Analyse von Textmaterial zum sog. "technischen Tauchen", welches insbesondere im Internet mannigfaltig verfügbar ist sowie aus persönlichen Kontakten (i. d. R. per E-Mail) mit Anhängern dieser Sparte der Unterwasserfreizeitgestaltung.

Aus beiden Quellen kristallisiert sich im Laufe der Zeit ein Bild eines bestimmten Phänotypus des Hobbytauchers heraus, das sich, ohne Anspruch auf Wissenschaftlichkeit und Vollständigkeit, stark verkürzt so umreißen ließe: Der typische "TechDiver" ist männlich, meistens zwischen 24 und 35 Jahren alt, betreibt den Tauchsport seit ca. 1 bis 3 Jahren, hat eine mittlere Taucherfahrung von ca. 100 bis ca. 250 Tauchgängen, kommt i. d. R. aus einer PADI- oder ähnlichen Schnellausbildung, verfügt in der Mehrzahl der Fälle nur über geringe Kenntnisse der wissenschaftlichen und sonstigen theoretischen Grundlagen seiner Freizeitbeschäftigung und kann aus diesem Grunde die von ihm gemachten Aussagen zu tauchtechnischen Sachverhalten oft argumentativ nicht ausreichend begründen. Er/sie kompensiert dieses Defizit in der Folge häufig durch Rückgriff auf Stereotypen verbunden mit teilweise sehr einfach strukturierten Modellvorstellungen und Generalisierungen und greift als "ultima ratio" im Extremfalle auf aggressive Verbalschmähungen der Meinungsgegner zurück. Die Wahrscheinlichkeit für dieses aggressive Verbalverhalten steigt dabei deutlich mit dem zunehmenden Engagement der Person in dieser Sparte des Hobbytauchens. M. a. W.: je intensiver eine Person diesem oftmals neuen Hobby nachgeht, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für intolerantes Verhalten abweichenden Meinungen gegenüber.

Die Zugangswege zum "TechDiving" erscheinen dabei standardisiert. Ein sicherlich nicht untypischer Einstieg in diese Sparte des Hobbytauchens kann so aussehen, wie jüngst in der YAHOO-"Tech"-Liste zu lesen war:

Mein Name ist X. und bin Y Jahre alt, ich wohne in Z. und tauche seit ca. 1 3/4 Jahren. Ich habe ca. 180 TG absolviert davon ca 130 kalt und dunkel. Ich stehe also noch ziemlich am Anfang. Ich interessiere mich seit der letzten G-Tech für technisches Tauchen und versuche stets meine Ausrüstung und Konfiguration zu verbessern.

Insgesamt ergibt sich der Eindruck, dass sog. "Technische Taucher" überwiegend den Tauchanfängern bzw. den "Gelegenheitstauchern" zuzurechnen sind.

2. Begriffsabgrenzungen: "TechDiving" vs. Sporttauchen

Damit ein Begriff wie "TechDiving" der breiten Masse von Interessenten zugeführt und von diesen aufgenommen werden kann, erfordert er eine Begriffsdefinition, die eben der angesteuerten Zielgruppe eingängig und ihrem vorherrschenden geistigen Niveau angemessen ist. Die Begriffsprägung läuft dabei über der Zielgruppe in Bezug auf deren intellektuelles Niveau her angmessene und fallweise stark simplifizierte Aussagen, wie z. B. Technisches Tauchen bedeute u. a. "tiefes Tauchen", "Mischgastauchen", "eine umfangreiche Ausbildung", "eine andere Ausrüstung", "erhöhte taucherische Kompetenz" etc.

Die dergestalt insbesondere durch die am Markt agierenden Anbieter des "Technischen Tauchens" vorgenommene Begriffsprägung geschieht also über die Festlegung von Inhaltsstrukturen und somit letztlich der Frage, was "TechDiving" grundsätzlich abgrenzt von anderen Unterwasserfreizeitbeschäftigungen allgemein und besonders wie man es für die Konsumenten vom herkömmlichen Sporttauchen unterscheidbar und damit letztlich als eigenständigen Trend vermarktbar gestalten kann.

Analysiert man dabei auf der sprachlichen Ebene, fällt dabei die schrittweise vorgenommene Neudefinition eines ganzen Begriffes auf, nämlich jenem des "Sporttauchens" selbst. Während Sporttauchen bis in die 80er bzw. teilweise 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts noch beinhaltete, Tauchgänge zu unternehmen, die z. B. teilweise deutlich tiefer als die heute propagierten max. 30 oder 40 m Wassertiefe reichten, Dekompressionstauchgänge durchzuführen etc. und z. B. auch schwierige Tauchunterfangen unter schwierigen Randbedingungen bewältigen zu können, hat der Begriff des Sporttauchens in der Folgezeit einen immensen Bedeutungswandel erfahren. Er wurde jetzt schrittweise gleichgesetzt mit dem aus dem amerikanischen Sprachraum stammenden Begriff des sog. Recreational Diving , also dem des anspruchslosen Freizeittauchens, durchführbar von quasi jedermann. Diese Entwicklung war einhergehend mit der auffälligen Verminderung der theoretischen Kenntnisse bzw. der Vermittlung derselben durch den Tauchunterricht, die man zur Ausübung dieses Hobbys benötigt. In der Folge ergaben sich dabei z. B. die Ablehnung von Dekompressionstauchgängen durch die meisten Tauchorganisationen, der Einführung teilweise extrem niedriger Tiefengrenzen und anderer Restriktionen mehr. Techdiving springt demzufolge in eine Lücke, die Recreational Diving geöffnet hat.

Interessant ist auch, wie die dargestellte Begriffsveränderung bereits Eingang in das Sprachgefüge von Freizeittauchern auf breiter Front gefunden hat. Fragt man heute neu ausgebildete Taucher, was sie denn eigentlich unter "Sporttauchen" verstehen, so wird fast in allen Fällen die Gleichsetzung "Sporttauchen=Recreational Diving " genannt. Bei manchen der modern ausgebildeten Freizeittaucher liest man in der Folge aus vielen Aussagen eine augenscheinlich tief verwurzelte, bisweilen nachgerade übersteigerte Abneigung gegen die ursprünglich betriebene Art des Sporttauchen heraus. Themen wie "Tieftauchen mit Luft" oder in der Augen der sog. Techdiver ungewöhnliche, da nicht standardisierte Tauchausrüstungen werden in starkem Maße abgelehnt, tabuisiert und damit eindeutig negativ bewertet.

"TechDiving" geht dabei inhaltlich von extrem starren Setzungen aus. Dies betrifft insbesondere die Vorgehensweise, wie man nach landläufiger Meinung anspruchsvolle Tauchgänge sicher durchführen könne und beinhaltet (insb. in seiner Ausprägung des " DIR -Systems") ein hochgradig starres Regelwerk, nach dem sich der Taucher zu richten hat.

3. Orientierung an starren Regeln und ihre Ursache

Welche potenziellen Ursachen kommen nun für diese Haltungen (Orientierung an starren Regeln und Intoleranz gegenüber Abweichlern) in Frage? Zuerst sollte man die Annäherung über den gerade hier genannten Begriff des Tabus bzw. der Tabuisierung beginnen.

Tabus sind zuvorderst immer ein Symptom der Angst, da eine Tabuverletzung i. d. R. schwerwiegende negative Folgen nach sich zieht, zumindest wenn sie für andere erkennbar wird. Der Normabweichler wird, so sein Handeln für andere als abweichend erkennbar wird, negativ sanktioniert, er wird bestraft. Diese daraus sich ergebenden Bestrafungen sucht das Individuum im Gegenzug durch systemkonformes Verhalten zu vermeiden. So ist es vermutlich auf diesen speziellen Problemkreis übertragen, primär die Angst, persönlich zu scheitern bzw. zu versagen, die zu derart starren, in ihrer Starrheit oft maßlos überzogenen Positionen, wie sie von sog. "TechDivern" vertreten werden, führt. Dies lässt sich insbesondere dadurch ableiten, dass alleine schon die Möglichkeit des Scheiterns bei der Ausübung des Freizeittauchens (kondensierend am immer wieder thematisierten Zentralbegriff " Tauchunfall ") in vielen Aussagen von "technischen Tauchern" implizit oder explizit genannt wird und eine zentrale Rolle einnimmt, wenn über Tauchen und Technik gesprochen oder geschrieben wird.

So nimmt das potenzielle Versagen von Mensch und Material einen zentralen Raum in der Philosophie des sog. "Technischen Tauchens" ein und nicht primär (was nach allgemeinem Verständnis angemessener wäre) das Gelingen eines Unterfangens. Diese vorsorglich vorgenommene  Überhöhung der potenziellen Gefahr und daraus abgeleitet die erhöhte Wahrscheinlichkeit des eigenen Scheiterns zieht sich denn auch wie ein roter Faden durch viele Äußerungen von "technischen Tauchern", die z. B. in Diskussionen in der Öffentlichkeit wie dem Internet getätigt werden

Beachtenswert ist in diesem Zusammenhang die Wahl der bevorzugt verwendeten Begriffe, also der Diktion : Schon alleine der Name "DIR" beinhaltet ja erkennbar im Umkehrschluss bereits implizit die permanente Warnung vor dem "DIW", dem "doing it wrong". Nur wer zu allen Zeiten immer alles richtig macht, ist par definitionem vor dem Scheitern, dem Versagen und damit letztlich dem Tode gefeit. Nur wenn der definierte Standard (hier in Bezug auf Verhalten und Ausrüstung zu verstehen) minutiös eingehalten wird, tritt das Gefürchtetste nicht ein. Der Tauchunfall als zentraler Begriff, bzw. die übersteigerte Angst davor, ist also ein beständig im Fokus der Betrachtungen stehendes Thema in den Medien des technischen Tauchens und wird auch in vielen Aussagen sich selbst als solche bezeichnender "technischer Taucher" immer wieder auf's Neue wiederholt.

Zusätzlich zu diesen diffus personal bezogenen Versagensängsten ("menschliches Versagen") erkennt man in Äußerungen sog. "Technischer Taucher" immer wieder die dabei zusätzlich zum Ausdruck gebrachte Angst, die verwendete technische Gerätschaft könnte aus irgendeinem Grunde fehlerhaft sein und damit zum Unfall oder gar zum Tode führen ("technisches Versagen"). Durch Optimierung der Technik in Bezug auf Materialauswahl, Anordnung und Verwendung wird hier in der Folge versucht, die Versagenswahrscheinlichkeit so klein als möglich zu halten.

Beispielhaft ist dies u. a. sehr gut daran erkennbar, dass innerhalb der Gruppe der sog. "Technischen Taucher" bestimmte Marken und Typen von Atemreglern nachgerade glorifiziert werden, während andere ausdrücklich eine Gleichsetzung mit regelrechten "Todesmaschinen" erfahren. Gerade die Atemregler nehmen wohl auch deshalb eine derart zentrale Rolle ein, weil hier der ursprüngliche Lebensreflex, das Atmen, und damit die Versinnbildlichung des Lebens tangiert sind. Wie stark manche Taucher an diesem Sinnbild des funktionierenden Atemreglers hängen, wird in Aussagen deutlich wie "Meinen Regler verleihe ich nicht" oder "Den Regler selbst zu warten ist Selbstmord" und ähnlichen Aussagen mehr.

Fasst man die vorher ausgeführten Gedankengänge zusammen, so ist schlussfolgernd die Grundhaltung erkennbar, dass seitens vieler moderner Hobbytaucher befürchtet wird, die eigene Ausrüstung könnte sie unter ungünstigen Umständen in erhebliche Gefahr bringen, wenn diese Ausrüstung nicht gerade qualitativ überragend, dadurch sehr teuer und natürlich von bestimmten Herstellern sei, bei deren Produkten die Eigenschaften "sicher und zuverlässig" im gemeinsamen Verständnis der Angehörigen der Gruppe als verbürgt gelten.

4. Die vermeintliche Sucht nach Sicherheit

Um eine möglichst hohe "Sicherheit" (wie immer diese zu definieren sei) zu erreichen, ist aber nicht nur der Ursprung der persönlichen Ausrüstung relevant, sondern auch deren Anordnung am Tauchgerät selber, was bei den "Technischen Tauchern" häufig verklärend-mytfizierend und in einer bestimmten und bewusst technikorientierten Sprache als "Konfiguration" bezeichnet wird. Diese Konfiguration muss, um größtmögliche Sicherheit zu erzielen, folglich ebenfalls unbedingt entsprechend einer vorgegebenen Leitlinie gestaltet sein, wofür die sog. "DIR"-Bewegung innerhalb des sog. Technischen Tauchens wiederum ein aussagekräftiges Beispiel ist.

Diese sehr spezielle und eng gefasste Betrachtungsweise von Sicherheit entspringt vermutlich einer diffusen und wenig reflektierten mathematisch-technischen Interpretation des Begriffes Sicherheit, wonach die geringstmögliche Versagenswahrscheinlichkeit am tiefsten Punkt einer umgekehrten Gaußschen Glockenkurve zu finden sein muss. Da es mathematisch betrachtet nur einen Punkt geben kann, für den dies gilt, muss dieser dann die Entsprechung einer optimierten "Konfiguration" sein, welche dann plakativ den Namen "DIR"-System bekommt.

So wird dann zumindest für die eigene Beruhigung der dauernd vorhandenen Angstgefühle alles getan, um die Versagenswahrscheinlichkeit aller Faktoren auf möglichst nahe oder gleich Null zu reduzieren. Bei Menschen, die solcherlei innere Haltung aufweisen, ist diese Angstdisposition folglich ein ständiger Tauchbegleiter.

Einige aus der Praxis gewonnene Anschauunsbeispiele für diese These: Die vorstehend angesprochene Angstdisposition wird z. B. in Ausrüstungsdiskussionen, in denen das Für und Wider bestimmter technischer Sachverhalte des Tauchens thematisiert wird, immer wieder zu teilweise irrational anmutenden Begründungen herangezogen, warum bestimmte Dinge in einer dargestellten Art und Weise und nicht anders gemacht werden müssen. Denn es treffen sich hier einerseits ein Begründungszwang, dessen Ursache in dem angestrebten möglichst rationalen Selbstbild und der daraus abgeleiteten Handlungsmaxime der Person zu sehen ist, andererseits aber Sachverhalte, die sich, zumindest aus kritisch-distanzierter Sicht, theoretisch-rational eben nicht mehr begründen lassen. Die ursprünglich vernunftbasierte Grundorientierung einer Person gleitet also, auch in Interaktion mit anderen Gruppenmitlgiedern und deren Haltungen, schnell ins Irrationale ab.

Ein Beispiel: Taucher, die sich dem sog. "DIR-System" verschrieben haben, tauchen z. B. ohne den seit Jahrzehnten bewährten Finimeterschutz aus Gummi, der das Gehäuse des Hochdruckmanometers vor mechanischen Beschädigungen schützen soll. Die Begründung dafür ist ebenso wenig nachvollziehbar wie nachgerade bizarr: Wenn das Gummigehäuse um das Manometer liege, so die generelle Aussage, könne man nicht erkennen, ob der Schlauch oder die Verbindung (Einpressung) an der unsichtbaren Stelle defekt sei oder es wird befürchtet, dass sich an dieser unzugänglichen Stelle Ablagerungen (Kalk, Sediment etc.) bilden könnten. Dass dieser Ansatz völlig irreführend ist, kann nun jeder selbst nachprüfen, der im Besitz eines älteren Tauchgerätes ist. Man zerlege einfach ein hinreichend in Gebrauch sich befindendes sog. Finimeter (mit mindestens über 10 Jahren Gebrauchszeit) und wird in der Mehrzahl der Fälle ein völlig intaktes Gerät vorfinden. Desweiteren besitzt der Anschluss des Hochdruckmanometers eine Drosselbohrung (gelegentlich zusätzlich noch eine weitere auf der Seite des Reglers), so dass die Menge an Gas/Zeiteinheit die an dieser Stelle unkontrolliert abströmen kann, nicht zu einem tödlichen Ende des Tauchgangs führen würde, zumindest, wenn er sachgerecht geplant ist. Stattdessen sollte man nach Ansicht von sog. "DIR-Tauchern" das Finimeter ungeschützt herumhängen lassen und es dem Risiko mechanischer Zerstörung viel deutlicher aussetzen. Derlei nur vordergründig reflektierte Positionen gibt es beim TechDiving noch mehr, es soll aber hier nicht weiter ausgeführt werden und an dieser Stelle nur nochmals auf die Begründung der Nichtverwendung von Standfüßen bei Pressluftflaschen verwiesen werden ( siehe DIR-Artikel ).

5. Zum möglichen Auslöser der Angst

Die geschilderten, theoretisch zu einem gewissen, wenn auch geringen Grade wahrscheinlichen, Problemszenarien in Bezug auf Mensch und Material, die als Begründung der sich an realen Situationen bzw. Situationsmöglichkeiten konkretisierenden Angst wirken können, basieren m. E. auf einer von ihrer Art her diffus strukturierten Grundangst, die ich hier einmal als "Überangst" bezeichnen möchte.

Letztere scheint in diesem Zusammenhang (ohne diesbezügllich einen exakten wissenschaftlichen Nachweis führen zu können) also als tiefer liegende Begründung des geschilderten Verhaltens der Handelnden eine zentrale Rolle zu spielen. Die Ursache dieser Grundangst ist, neben möglichen persönlichen Faktoren wie z. B. einer tendenziell angstorientierten Persönlichkeit, in etwa das, was als Sozialisationsdefizit bei der Hinwendung des einzelnen zum Tauchsport aufgefasst werden könnte. Man könnte diese fehlerhafte Sozialisation umgangssprachlich salopp als "PADI-Brainwash" bezeichnen. Sie beinhaltet insbesondere das Faktum, dass den Tauchsportneulingen, und zwar von ihrem ersten Kontakt mit der Materie Hobbytauchen beginnend, systematisch vermittelt wird, Tauchen sei im Grunde potenziell gefährlich und nur innerhalb sehr enger Grenzen "easy and fun".

Diese Vermittlungstendenz lässt sich an bestimmten Inhalten und Setzungen festmachen. So wird z. B. seitens vieler Tauchausbildungsorganisationen die Meinung vertreten, alle Tauchgänge. die tiefer als eine bestimmte, von der jeweiligen Organisation gesetzte Grenztiefe führen, seien mit einem erheblichen Risiko des schweren oder gar tödlichen Unfalles belegt.

Was dann von der Person, die diese "Ausbildung" durchlaufen hat, nicht mehr verstanden werden kann, ist, dass man bei der Ausübung seines Unterwasserhobbies die beschworenen Gefahren mit einer gewissen Taucherfahrung und Routine ohne weiteres bewältigen kann. Problematik in diesem Zusammenhang ist jedoch sehr häufig, dass sich die meisten der anfangs extrem tauchbegeisterten Personen eben keine Zeit nehmen, sich intensiv mit der Materie ihres Tuns auseinanderzusetzen, was ja i. d. R. mehrere Jahre bzw. Jahrzehnte in Anspruch nehmen würde. Dafür ist selten  Zeit vorhanden, denn ein Trend fordert seinen Tribut, und zwar die schnell und unerbittlich, denn in einer schnellebigen Zeit muss nach maximal fünf Jahren die nächste "Grenzerfahrung" in Gestalt des nächsten "Thrill" zu konsumieren sein.

So drängt sich summa summarum letztlich die Frage auf, ob Menschen, die die gezeigten Haltungen vertreten, überhaupt die geeignete psychische Disposition für das Tauchen besitzen. Tendenziell angstbesetzte Personen sollten nach allgemeiner Ansicht nicht tauchen.

Letztlich steht zu vermuten, dass die Anhänger dieser Freizeitbeschäftigung im Grunde wissen, dass die Unterfangen für die man sie seitens eines der vielen seit neuestem am Markt agierenden "Techverbände" angeblich "ausgebildet" hat für sie allesamt eine Nummer zu groß sind. Es erscheint daher als Erklärungsmöglichkeit für die immanente Angst durchaus plausibel, zu unterstellen, dass man seitens der Konsumenten insgeheim spürt, dass man im Grunde von den Organisationen betrogen worden ist. Wer wie diese Kleinstverbände, vorgibt, einen Hobbytaucher in einem 1000€ teuren Kurs an drei Wochenenden zum "Techtaucher" ausbilden zu können, der handelt eigentlich schon grob fahrlässig oder schlimmstenfalls vorsätzlich. Man gibt ungehemmt vor, jeder Konsument könne eine hochkomplexe Materie mit modernen Lernmaterielien (die aber bei näherer Nachprüfung nichts anderes als schlecht geschriebene Bedienungsanleitungen sind) im Schnellverfahren aneignen.

Allerdings steht zu vermuten, dass wirtschaftliche Zwänge wie so oft (und in diesem Falle gepaart mit einer beim Unfalle nicht nachweisbaren Kausalität) dazu führen, dass seitens der Anbieter unverantwortlich gehandelt wird. Denn wenn Organisation A keine Schnellkurse mehr anbietet, macht es sicher Organisation B. Es geht ums Geldverdienen in einem kleiner werdenden Markt. Und da werden moralische Bedenken schnell pekuniären Interessen geopfert, zumal die meisten der in diesen Kleinstorganisation agierenden "Ausbilder" weder über eine fachlich ausreichende Vorbildung verfügen noch irgendwie pädagogisch ausgebildet sind, um derartig komplexe Inhalte in Lehrveranstaltungen sachgerecht didaktisch strukturieren und methodisch umsetzen zu können.

6. Weitere Persönlichkeitsmerkmale der Personengruppe der "Techdiver"

Neben den bereits vorgestellten Psychostrukturen ist eine stark ausgeprägte Humorlosigkeit einhergehend mit der Unfähigkeit zur Selbstironie wohl eine der bestimmenden Charaktereigenschaften dieser Personengruppe "Techdiver". Gerade der immer wieder vorgetragene extreme Dogmatismus in Zusammenhang mit den eigenen Positionen und der Rechtfertigung derselben ist ein gewichtiges Indiz für diese Annahme. Dieser übersteigerte Dogmatismus findet seine Ursache einerseits mutmaßlich in der kognitiven Entwicklung der Person, andererseits in einem möglicherweise vorhandenen intellektuellen Defizit bei der Antizipation von Verhaltensalternativen in Kombination mit einer noch zu vervollkommnenden Ich-Struktur.

Wer dagegen bereits eine stabile Ich-Identität ausbilden konnte, und sich über sich selbst bewusst ist, wird den gezeigten Unsicherheitshaltungen tendenziell nicht anhängen. Wer jedoch eine mehr oder weniger stark ausgeprägte labile Haltung sich selbst gegenüber einnimmt, wird reagieren, wie man das häufig bei Angehörigen dieser Personengruppe beobachten kann: Mit Intoleranz, Unduldsamkeit und selten inhaltlich ausreichender Argumentation, wobei das eine oft das andere impliziert oder als Begleitumstand beiträgt.

So gesehen fällt die bereits erwähnte "DIR"-Ideologie in vielen Fällen mutmaßlich auch auf den fruchtbaren Boden eher labil strukturierter Persönlichkeiten: Wer sich selbst nicht viel oder im schlimmsten Falle gar nichts zutraut, wem die Souveränität fehlt, eigenes Handeln und Verantwortlichkeit ohne Rekursion auf von außen gesetzte Standards zu verbinden und zu verantworten, sucht die Leitlinien für das eigene Agieren im Verhalten von anderen, meistens von sich selbst ernannt habenden Vorbildern. Das Epigonentum wird dabei zum Regelverhalten. Das "DIR"-System mit seinen extrem engen Vorgaben ("standards and procedures") ist dafür ein signifikantes Beispiel. Alles wird hier bis in Kleinste geregelt und durch andere vorgegeben, Abweichungen werden nicht toleriert. Schlimmer noch: Der Abweichler wird als Gruppenaußenseiter gebrandmarkt, er wird gnadenlos zum "Stroke" degradiert, mit dem man entsprechend " Rule No. 1 " nicht tauchen darf. "DIR" und sein ideologischer Überbau sind daher auch eine schöne Demonstration "amerikanischen Denkens": "Who is not with me, is against me": Wer nicht für mich ist, ist gegen mich.

Wer dagegen auf der "richtigen" Seite steht und dieses haarklein durchstrukturierte Tauchsystem nutzt, weiß sich selbst in der Mitte einer Gruppe, die es genau gleich und damit immer unbedingt richtig tut. Er ist "DIR". Das System und das dahinter befindliche Denken grenzt die Insider (die Guten) gegen die Outsider (die Bösen) mit einer eindeutig erkennbaren Trennlinie ab. Dieses Vorgehen der extremen Schwarz-Weißmalerei erzeugt in der Konsequenz letztlich die gewünschte, wenn auch scheinbare Sicherheit im sozialen Kontext und liefert Stabilität und einen eindeutigen Bezugsrahmen für durch mehr oder weniger ausgeformte Unsicherheit geprägte Persönlichkeiten.

Ein weiteres Indiz für den Wunsch nach Konformität des Individuums und damit nach Gruppenzugehörigkeit und Anerkennung durch die Gruppe sind auch die in vielen Diskussionen gestellten Fragen, ob eine bestimmte Anordnung des Tauchgerätes, ein bestimmtes Ausrüstungteil oder ein Verfahren eigentlich kompatibel zum "DIR"-System sei oder nicht. So bedeutet das "DIR"-System nicht nur einen immens kostenaufwendigen Plan zur Reduzierung der eigenen Angst beim Tauchen zu besitzen, sondern auch den Zwang, ein beständiges Adaptieren der Inhalte des Systems vorzunehmen, die durch andere Personen gesetzt werden. So ist das Festhalten am "DIR"-System letztlich ein Synonym für die selbst verschuldete Unmündigkeit einer Person.

Beim Lesen von Äußerungen, die in den sog "Tek-Foren" gemacht wurden, kann man sich oft des Eindruckes nicht erwehren, dass gerade die dort vertretenen Menschen unter einem teilweise sehr ausgeprägten Unterlegenheitsgefühl leiden, das einerseits ihre Persönlichkeit bestimmt und andererseits sie eben dieses Gefühl mit der exzessiven Hinwendung zu ihrem Hobby zu kompensieren suchen. Es scheint sich hier unbemerkt eine soziale Subkultur, eine Art "Szene", etabliert zu haben, von der der normale Freizeittaucher höchstens am Rande etwas mitbekommt.

Schließlich und endlich drängt sich in der Folge nun noch die Frage nach den Ursachen dieser beobachteten Phänomene auf und damit die Vermutung, dass die moderne Tauchausbildung mit ihren oberflächlichen Inhalten, ihrer Tendenz zum weitestgehend leeren Schnellkurs und der daraus notwendig werdenden Vereinfachung und Reduktion der theoretischen und praktischen Inhalte letztlich die primär relevante Mitursache für die gezeigten Einstellungen und Haltungen der solcherart "Ausgebildeten" ist oder ob sie nur auf den fruchtbaren Boden der angsterfüllten Grundhaltung der handelnden Personen fällt. Es ist also die übliche Frage, was früher da war: Henne oder Ei.

Wer z. B. von seinem ersten Tauchkurs an, den er z. B. beim amerikanischen Marktführer PADI bucht, suggeriert bekommt, Tieftauchen sei gefährlich, Dekompression sei immer ein Notfall und Solotauchen sei ein Verbrechen, der wird diese Erinnerungsmuster nie wieder vollständig eliminieren können. Andererseits locken aber die einen Gegenpol zur oft langweiligen und reizarmen Lebenswelt der Menschen setzenden Herausforderungen einer Trendsportart, zu der das Tauchen in den letzten Jahren leider geworden ist. Damit die Schnittmenge aber nun nicht leer bleibt, mussten Verfahren entwickelt werden, welche den schnell (und bisweilen schlecht) ausgebildeten, dafür aber teilweise mit einem immensen Geltungsbedürfnis ausgestatteten Freizeittauchern einerseits ihren Kick bescheren, für den sie auch bereit sind, nicht unerhebliche Geldbeträge zu investieren, was eine ganze "Tauchindustrie", und damit viele Existenzen, die im traditionellen, bürgerlich geprägten, Umfeld wohl oft nicht zum Erfolge gekommen wären, am Leben erhält, andererseits aber verhindern, dass diese Leute massenhaft Unfälle erleiden oder in Ausübung ihres Hobbys versterben.

Auch wenn die Frage nach Henne und Ei wie immer nicht zu klären und letztlich auch sinnlos ist, kann man doch am Zuschnitt von äußeren und inneren Faktoren (Tauchen als Freizeitbeschäftigung und innere Disposition der Ausübenden) eines erkennen: Die als logische Konsequenz sich ergebende Synthese aus den Anforderungen "Maximierter Freizeitspaß mit Abenteuercharakter und größtmögliche Sicherheit" ergibt dann auf der Seite des Recreational Diving , also der modernen Interpretation à la PADI des einstigen "Sporttauchens", Einschränkungen wie Tiefenbegrenzungen, Verbot von Dekompressionstauchgängen und andere Beschränkungen mehr auf dieser Seite, auf der anderen Seite des sich selbst so bezeichnenden Technischen Tauchens Dinge wie z. B. "DIR". Wobei "Techtauchen" dann von von seiner Art zu tauchen her betrachtet im wesentlichen nichts anderes ist, als das früher praktizierte Sporttauchen, nur eben fallweise zeitweise mit Mischgasen.

7. TechDiving als Antwort der Freizeitindustrie auf Konsumentenorientierung

Ein Trend wie TechDiving muss vermarktet werden. Diese Vermarktung gelingt nur, wenn man den Kunden ein attraktives Angebot macht. Welches Angebot bietet TechDiving also?

7.1 Die Exklusivität

Dem zahlenden Kunden wird vor allem suggeriert, er erwerbe mit dem Kauf der extrem teuren Techzertifikate letztlich den Einstieg in die "Königsklasse des Tauchens". So kann man es z. B. auf den Seiten von ORCA Safaga unter der Rubrik TEC wörtlich nachlesen. Dass diese "Königsklasse" nicht für jeden erreichbar ist, erscheint selbstredend und ist intendiert. Einen Mercedes-Benz kann nun einmal auch nicht jeder fahren. Der Techdiver dringt hier also in Bereiche vor, in die nur wenige ihm folgen werden können, wenn auch meistens primär aus finanziellen Gründen.

Dass man bereits Jahrzehnte vorher, als es noch gar kein Techdiving gab, Tauchgänge unternahm für die man, folgt man z. B. der Webseite von ORCA Safaga z. B. mit dem Erwerb eines "Deep-Air-Tec-Brevets" erst "lizenziert" sein solle, ohne Weiteres durchführen konnte, wird natürlich wohlweislich verschwiegen. Solcherlei würde letztlich das Marktgefüge stören und lukrative Einnahmequellen zum Versiegen bringen. Man stelle ich einmal vor, wie der Markt für solche (im Grunde völlig sinnlosen) "Deep-Air"-Kurse zusammenbrechen würde, wenn Sporttaucher nur mit gutem theoretischem Hintergrundwissen ausgestattet (das sich auch wenig profitträchtig einfach aus Büchern und nicht aus schlecht geschriebenen, fehlerhaft übersetzten und teuren sog. Manuals erwerben ließe), mit einer zweckentsprechenden normalen Tauchausrüstung ausgerüstet und mit einer guten Taucherfahrung ausgestattet sich langsam steigernd an die 50 m-Marke herantasten würden. Da wäre dem Kunden schwer vermittelbar, warum er für einen solchen Kurs 500 Euro oder mehr bezahlen soll. Und diesen Betrag für einen Kurs wie "Deep-Air-Tec" zu investieren, der einerseits sinnlos ist, weil man seitens der Organisationen gleichzeitig erklärt, Tieftauchen mit Luft sei im Grunde ein Selbstmordkommando, andererseits aber als Voraussetzung für die echte "Königsklasse" absolut notwendig. Ein Selbstmordkommando als Vorstufe für die "Königsklasse". Irrationaler kann man wohl kaum argumentieren. Außerdem ist die auf den genannten Webseiten benannte These der "Lizenzierung für Tieftauchgänge mit Luft" schon bei oberflächlicher Prüfung nicht haltbar. Eine wie auch immer geartete Lizenzierung für das Tieftauchen mit Luft ist zumindest in den Gewässern in Deutschland, Schweiz und Österreich nicht an ein "Techtaucherzertifikat" gebunden. Hier wird nur dem bereits sehr diffusen Prüfungs- und Berechtigungswesen des Hobbytauchens eine weitere, wenig sinnstiftende Komponente hinzugefügt.

So werden dann also summa summarum 10 Meter maximale Tiefe mehr, die man dem "Deep-Air-Tech"-Absolventen bei seinem Besuch auf eienr Tauchbasis fallweise zugesteht  (40 m mit "normalem" Brevet, 50 m mit "Deep-Air-Tec-Brevet") zum differenzierenden Kriterium zwischen Golffahrer und Mercedeslenker. Für in Vernunftskategorien denkende Menschen erscheint dies schwer nachvollziehbar.

7.2. Die Sucht nach dem "Kick"

Abschließend drängt sich der Eindruck auf, dass "Techtauchen" ein weiteres Ergebnis der modernen übersättigten Freizeitgesellschaft ist, die ihre mental unausgelasteten Mitglieder nötigt, sich immer neue und aufregendere "Thrills" zu suchen (wie z. B. "Bungeejumping", Fallschirmspringen, "Extreme...." etc.). Exzessives "Techtauchen" erscheint damit letztlich als der Versuch von Menschen erklärbar zu sein, aus ihrem oft als wenig aufregend und nur als öde empfundenen täglichen Dasein zu entfliehen und sich den richtigen "Kick" (bzw. das, was man ihnen dafür verkauft) zu suchen.

Plakativ formuliert könnte man sagen, der Protagonist des sog. Technischen Tauchens stehe "von Montag bis Freitag" an der Werkbank, sitze im Büro oder gehe in sonst einem von Monotonie und Stereotypen geprägten Arbeitsumfeld mit einer i. W. fremdbestimmten Struktur und nicht vorhandenen Entscheidungshoheit seiner Arbeit nach. Und am Wochenende verwandelt er sich dann in den autonomen "Techdiver" auf der höchsten Kompetenzstufe, der "Königsklasse" eben. Während der Woche ein kleines Rädchen im Getriebe, und dann in der Freizeit selbst gestaltendes Individuum mit hohem Prestigewert. Diese Bedürfnisse erfüllen "Techdiving" und seine Vermarktung in ganz besonderem Maße.

8. Abschlussbetrachtung

"Technisches Tauchen" ist, bei kritisch rationaler Betrachtungsweise, ein Trend wie ihn die moderne Freizeitkonsumgesellschaft alle paar Jahre hervorbringt. Ein weitgehend gesättigter Markt muss mit einer neuen Nische befüllt werden, in dem die 10 Jahre vorher massenhaft ausgebildeten Instructoren der amerikanischen Anbieter nun zumindest teilweise ein Auskommen finden können. Attraktiv wird das Angebot zusätzlich dann, wenn man zivilisationsmüden Wohlstandsbürgern endlich ihre lange gesuchten "Grenzerfahrungen" für teures Geld verkaufen kann.

Ach ja: Nötig für die Durchführung anspruchsvoller Tauchgänge ist "Technisches Tauchen" dabei keineswegs.



Peter Rachow 2002-2003